KW 42 / Ein Abend mit Abby
Das neue Album von Abby SearchingForAbby.com klingt ganz ganz anders als das erste – habe ich jetzt ungefähr zwanzigmal gelesen. Und auch, dass Hexagon nicht mit den ganz großen Hits aufwarte, wird geschrieben. Dafür sei es „sehr rund“.
Ich kann das nicht beurteilen, da ich das erste Album nicht kenne. Bis vor einer Woche wusste ich ja nicht einmal, wer Abby ist. Ins Berliner Columbia Theater Columbia-Theater.de war ich nur deshalb gegangen, weil es an jenem Abend nach vollständiger Sanierung wiedereröffnet wurde. Ich war neugierig zu sehen, wie man Alliiertenkinos der 50er Jahre rekonstruiert. Schön ist es geworden. Interessanterweise sogar ein wenig dänisch … zumindest an besagtem Abend: Die VIP-Gäste, die der Einladung augenscheinlich weniger der Musik sondern der Freigetränke wegen so zahlreich gefolgt waren, ließen sich durch nichts von ihren Unterhaltungen abbringen. Auch als Abby spielte, wurde munter weitergequatscht. Dieses konstante Gemurmel nenne ich das dänische Moment. (Auf einer Party in Aarhus erzählte mir mal ein Däne, wenn er die Wahl habe, eine Band in Kopenhagen oder Hamburg zu sehen, entscheide er sich für Hamburg, dort sei das Publikum mehr bei der Sache.)
Das dänische Dauerrauschen war übrigens insofern okee, als das, was vorne auf der Bühne stattfand, all meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Vier wahnsinnig gutaussehende Berliner spielten mit einer Freude, die nicht allein an der Gage liegen konnte. Zu Beginn dominierten die Gitarre, das Cello und das Schlagzeug. Der Sänger, der sich Filou nennt, sang mit Falsettstimme Texte mit zehn Versen und mehr. Nach und nach aber wurden die elektronischen Töne dominanter, die Lyrics repetitiv, die Band spielte sich in einen technoiden Improvisationsrausch. Die zahlenden Gäste tanzten.
Live wirkt dieser Stilwechsel gewachsen und harmonisch, nicht wie ein Bruch. Ich kann mir aber gut vorstellen, wie überrascht diejenigen sein müssen, die vom Debütalbum Friends & Enemies klassischen Indie-Pop gewohnt sind, und nun zum ersten Mal den Nachfolger hören, der so viel mehr Techno geworden ist. Dass dieser Wandel gefällt, lässt sich an einem Kommentar ablesen, den ein Gast vorab auf der Veranstaltungsseite des Columbia-Theater-Abends hinterließ: „Hätte nicht gedacht, dass ich jemals eine Band drum bitte, aber bitte bitte spielt ganz viel vom neuen Album!“
Dessen erster Track heißt Hush. Er beginnt wie ein Sommertag mit Blumenkranz im Haar (vor 50 Jahren in San Francisco) und Kopfstimme (Ohhh, ohhh, ohhh). Später legt sich ein monotones „plop-plop-plop, plóp“ drüber. Dann setzen Streicher ein, der Beat wird treibender, es wird dramatisch. Ja, so klingen Abby.
Am Tag nach dem Konzert ist meine Frau mit einem Foto von Filou (der mit Tattoo) und den Worten „So will ich das“ zum Friseur gegangen. Jetzt sieht sie ganz ganz anders aus … und weiterhin großartig.