KW 15 / Continuity


Im Wald

„Von dem Job hat mir jemand auf einer Party erzählt. Ein Freund vom Freund vom Freund von ihm ist auch Schauspieler und schwärmt: etwas spooky aber verdammt gut bezahlt. Zwei Wochen später hatte ich den Auftrag. Die Bundeswehruniform aus unserem Fundus zog ich mir erst vor Ort am Bahnhof an. Dann um Punkt zehn Uhr fuhren sie mit dem Auto vor. Sie waren sofort in ihrer Rolle. Die Mutter kam auf mich zu, umarmte mich und ließ mich gar nicht mehr los. Sie weinte vor Freude. Daniel, endlich bist Du zurück. Dass ich Daniel heißen würde, hatte mir der Vater per E-Mail mitgeteilt. Auch alles andere verlief so, wie er es angekündigt hatte. Ich musste also lediglich für 24 Stunden meine Rolle spielen. Danach – das hatte mir der Typ auf der Party versichert – würde es vorbei sein und ich mein Geld bekommen. Trotzdem schwang die ganze Zeit so eine leichte Angst mit. Denn die Eltern nahmen alles so ernst. Es war kein Spiel. Einige Male dachte ich, jetzt eskaliert es. Ging aber alles gut. Doch warum sie das machen, das weiß ich bis heute nicht.“

So ungefähr geht der Film Continuity von Omer Fast.

Ein echter Fünf-Sterne-Film. Wegen der Bilder. Wegen der Schauspieler. Und nicht zuletzt weil alles so herrlich unklar ist. Noch Tage später wird man versuchen, sich aus dieser oder jener Szene einen Reim zu machen. Dabei ist der Film kein surrealer Unfug, sondern furchtbar realistisch. Man wird das Gefühl nicht los, ein paar entscheidende Sätze verpasst zu haben. Und dann reißt einen Omer Fast aus der Kinolethargie. Hellwach versucht man, jede Gefühlsregung aus den Gesichtern zu lesen, jeden Subtext aus jedem noch so kurzen Dialog rauszuhören. Bis man begreift, dass … Genug. Der Film kommt demnächst in die Kinos und ich möchte Euch nicht die Spannung nehmen.

Nur ein Wort noch zur Entstehungsgeschichte: Eine 41-minütige Fassung von Continuity hatte auf der dOCUMENTA13 ihre Premiere. Doch die Geschichte ließ Omer Fast keine Ruhe. Und so nahm er sich Monate später das Drehbuch erneut vor, dekomponierte es und entschied, alte und neue Schauspieler zu einem zweiten Dreh nach Berlin-Schmargendorf zu bitten. Anschließend in der Montage verschmolz er die neuen Szenen derart gekonnt mit der Endlosschleife aus Kassel, dass 85 feinste lineare Spielfilmminuten entstanden, über die Flickschusterei das letzte ist, was man sagen kann.

Bis zum Kinostart im September sind noch ein paar Wochen hin. Wie gut, dass am 12. Mai ein zweiter (also erster) Film von Omer Fast in die Kinos kommt: Remainder.

Simon