KW 5 / Italians Do It Better


Die Blütezeit von Italo Disco beginnt, als die Disco-Welle in den USA schon wieder im Abebben begriffen ist. Im Italien der ausgehenden 70er Jahre fabriziert man mit Keyboard, Drumcomputer und Synthesizer Songs im Viervierteltakt und taucht diese mit melodischen Stimmen in einen Schleier aus Kitsch und Sentimentalität. Italo Disco wird ein Prototyp für elektronische Musik: Die Produktion erfordert weder ein teures Studio noch eine musikalische Früherziehung. Das Ziel ist fast ausschließlich die Tanzfläche. Die Liedtexte werden entweder in Italienisch oder Englisch mit unausweichlichem Akzent vorgetragen und scheuen sich nicht vor einfachen sprachlichen Bildern:

Faces
You see a lot of people got
two faces
You must give your mind
to all the faces
They know the way to be the one

Das deutsche Label ZYX sorgt mit seinen Italo-Disco-Samplern schließlich nicht nur für eine Verbreitung über Italiens Grenzen hinaus, sondern auch für die bis dato ausstehende Genrebezeichnung. Nach vielen One-Hit-Wondern ist Mitte der 80er Jahre mit Hits wie Vamos A La Playa (Righeira), Tarzan Boy (Baltimora) und I Like Chopin (Gazebo) der Peak erreicht. Angus Harrison hat in seinem „A Bullshitter’s Guide to Italo Disco“ den Vibe treffend beschrieben:

It is the sound of imagined worlds: an imagined America, an imagined sports car tearing down an imagined open highway, before lowering imagined sunglasses and jetting off into an imagined cosmos.

Als der Vorhang gegen Ende der 80er Jahre für Italo Disco fällt, nehmen auf dem Weg zur Garderobe noch Bands wie New Order und Pet Shop Boys ein paar Andenken mit. Aber auch Stile wie Chicago House, Detroit Techno, New Wave und Elektropop fanden Einflüsse in diesem Stil.

Anfang der Zweitausender war Italo Disco dann durch Master Blaster und Gigi D’Agostino ein zweifelhaftes Comeback in großen Mehrzweckhallen beschieden. Daneben sind zurzeit wahrscheinlich die Ü30-Party und der Mediziner-Fasching als wesentliche Spielorte dieser Musik zu nennen.

Mir persönlich mehr am Herzen liegt dagegen das 2007 gegründete Label Italians Do It Better Italians Do It Better Records des amerikanischen Produzenten Johnny Jewel. Dieser ist an allen Bands des Labels irgendwie beteiligt, ob als Produzent, Songwriter, Bassist oder Keyboarder. Wie er in einem Interview mit Noisey angibt, Interview gründete er das Label vor allem deshalb, weil ihn so niemand mit Terminen oder anderweitigen Verpflichtungen nerven kann. Die größte Bekanntheit erlangte das Label sicher mit seinem Soundtrack für den Film Drive (2009) von Nicolas Winding Refn mit dem nicht ganz unbekannten Ryan Gosling in der Hauptrolle.

Als bekannteste Band des Labels gelten sicher die Chromatics. Sie entlehnen typische Momente des Italo Disco wie melodischen Gesang und repetitive Synthies, allerdings kommt alles in einem düsteren und spröderen Sound daher. Ein gutes Beispiel ist der Song Hands In The Dark.

Glass Candy besteht aus dem Duo Johnny Jewel und Ida No. Es wird im Gegensatz zu den Chromatics auf jegliche Rock-typische Instrumentierung verzichtet. Ida Nos Stimme wechselt zwischen Sprechen und Gesang und streut hin und wieder einen beherzten Schrei ein. Untermalt wird dies von hektischen Synthie-Melodien.

Einen guten Einblick in das Repertoire geben zudem die beiden „After Dark“-Sampler. Darauf finden sich noch einige andere Acts wie Mirage, Farah und Symmetrie.

Zuletzt produzierte Johnny Jewel den Soundtrack zu Home, Home einem Film des belgischen Filmemachers Fien Troch. Den Soundtrack findet man auf Johnny Jewels Soundcloud-Account. Soundcloud

Damit gibt es fürs Erste genug Material zum Hören. Hier noch zwei weitere Links zum Stöbern: Into the Black (Johnny Jewel’s Dark Disco Empire) und Listen to Italo Disco! (Die Geschichte des am meisten unterschätzten Musikgenres der Welt).

Martin