An meinem letzten Geburtstag bekam ich ein Buch überreicht: „Soll ganz toll sein.“, „Hat den Pulitzer bekommen!“, „Wenn du es durch hast, würd‘ ich es gerne leihen …“.
Auf dem Cover ist der Hals einer E-Gitarre abgebildet, im Klappentext lese ich Journalistenkommentare wie: „Amerikas Literatur hat einen neuen Superstar. Die Einzelteile dieses Konzeptromans aus dreizehn Stories fügen sich zu einer verblüffend eleganten Gesamtkomposition: Der größere Teil der Welt ist eine schrille Kakophonie von der erhebenden Schönheit eines Oratoriums.“ Felicitas von Lovenberg, FAZ.
Na, denn. Mit Musik habe ich es nicht so, vor allem wenn E-Gitarren involviert sind, und das Wort Konzeptroman finde ich irgendwie angsteinflößend. Trotzdem gebe ich Jennifer Egans Der größere Teil der Welt eine Chance; was im Regal liegt, muss auch probiert werden!
Von der ersten Seite an gebannt, hatte ich das Gefühl, jeden der Protagonisten kennen zu können. Ich habe reflexartig zustimmend genickt oder tadelnd die Augenbraue hochgezogen, resigniert geseufzt und plötzlich laut gelacht. Jede neue Perspektive hat die Sicht auf vorangegangene Ereignisse weiter aufgeklart und mir die Charaktere näher gebracht.
Verschiedene Erzähler in unterschiedlichen Zeiten – von den 70ern bis in die Zukunft – erzählen ihre Geschichte und gleichzeitig die Geschichte aller anderen Protagonisten. Es geht um Lebensentwürfe und wie schwer es ist, diese zu leben. Es geht um Jugend und um die Schwierigkeiten des Erwachsenseins. Und es geht um Musik und um Stille.
Es stimmt, was über die bunte Schönheit oder das rasante Tempo des Romans im Klappentext steht. Zum Glück ist Jennifer Egans Roman so glasklar, unverhüllt ehrlich und humorvoll geschrieben, dass ich jetzt keine Scheu mehr habe vor kakophonischen Konzeptromanen mit Gitarre.
RSS Feed