KW 8 / Lieber Kulturklubben


Lieber Kulturklubben,

wir kennen uns noch gar nicht so lang. An Deinem 3. Geburtstag habe ich Dich das erste Mal getroffen. Und es ist wohl tatsächlich eher so, dass ich dich kenne, als umgekehrt. Darum muss ich mich vielleicht kurz vorstellen. Auch, weil die Identität sich kürzlich geändert hat. Ich bin jetzt einer von diesen Typen, die mal im Ausland studiert haben und alles geil finden, was in diesem Ausland so passiert. Naja, nicht alles, aber schon irgendwie alles besser als hier. Die Musik, die Menschen, der öffentliche Dienst, das Bier und der Wein. „JK“ (just kidding) sagen wir Internationals hier oder „haha“.

Mein Ausland war Dänemark. Das passt wohl ganz gut zu dir, wenngleich nicht unbedingt zu gutem Wein oder Bier, und lässt schon fast erahnen, aus welcher geographischen Ecke meine musikalischen Geburtstagsgrüße kommen. Nein, kein skandinavischer Metal (mit beliebigem Präfix), kein markerschütternder Wave-Sound. Ich habe mir vorgenommen, (vornehmlich) positive Vibes zu senden; und, obschon die Sujets nicht immer von grenzenlosem Optimismus geprägt sein mögen, so sind es doch meistens Arrangements und Harmonien, die einen ungetrübten Blick in die Zukunft erlauben; oder umgekehrt: Melancholie und ihre musikalische Umsetzung ohne Kitsch.

Ich sprach von einem Identitätswechsel. Er beinhaltet auch einen Bruch mit alten Vorbehalten und Reserviertheiten. Das Ohr nun auch poppigeren Tunes geöffnet, ließ ich mich bei der Rückkehr aus meinem temporären, kalt-warmen Zuhause in meine Heimat von den folgenden drei Acts begleiten.

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Kill J

Über Kill J hast du vor Jahren schon einmal geschrieben. Juni 2013 Sie hat seither weitergemacht; wurde im letzten Jahr auch „größer“ gesigned.

Zunächst stieß ich durch You‘re Good, But I‘m Better auf ihr Soundcloud-Profil. Ganz auffällig war dabei für mich der Synthi, der am Ende der achten Bar einmal hochzuzählen scheint und dem Song einen gewissen „echten“ Startschuss gibt.

Das Lied bricht klanglich mit anderem von Kill J, indem es von dem sonst eher synthetisch(er) klingenden, (teilweise) gepitchten Stimmeinsatz abweicht und durch Verwendung von Piano-Sounds eine vergleichsweise warme Atmo generiert. Insgesamt hat sich der Song mehr dem Soul/RnB verschrieben und ist allein deshalb bemerkenswert.

Typisch dagegen, und mir nachhaltig im Kopf hängen geblieben, ist Kill J‘s Cover des Aqua-Songs Barbie Girl. Im Licht des gespannten Verhältnisses, das einige Dänen zu Aqua pflegen (Bewunderung für den internationalen Erfolg gegenüber Abscheu ob der mediokren Musik), finde ich die Tatsache, dass eine dänische Musikerin, deren Musik so gar nichts mit Aquas Welt zu tun hat, ausgerechnet Barbie Girl covert, noch aufregender als ohnehin schon.

Die Interpretation des Titels mit einem kalten/kühlen, industriell/maschinell anmutenden Arrangement trieb mir beim Hören fast die Tränen in die Augen. Die sich aufdrängende Assoziation von (Lust-)Maschinen und Robotern Der Roboter ist immer geil verleiht dem ursprünglichen Text eine neue Aktualität. Der gesamte Song zeigt eine Ernsthaftigkeit, die dem Original leider nicht innewohnt (obwohl es ja doch ein wenig so gemeint war). Die Übertragung des ursprünglichen Pre-Chorus („you can touch, you can play“) in ein triolisches Muster, das verzögerte Aufatmen der Sirene im Hintergrund: Spektakulär!

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Soleima

Soleima wäre für mich einer der Gründe, das diesjährige SPOT-Festival SpotFestival.dk zu besuchen. Sie holt mich dort ab, wo ich mich hinbegeben habe: im Kosmos eines modernen Pop-RnB-Elektronika-Gemischs. Mich reizt die Unbedarftheit, die ich in ihrer Aussprache höre – alles, was sie sagt, klingt für mich so grundlegend und einfach.

Die letzten Einzelveröffentlichungen Wasted und Cracks klingen deutlich abgerundeter, verlieren für mich damit jedoch nicht an Kraft. Besonders Wasted zog und zieht mich aus dem Grau-in-Grau der Stadt heraus (weniger in Aarhus, als in Berlin).

Du denkst jetzt sicher: „OK, verstanden, Pop-Däninnen mit hohen Stimmen aus CPH get you going.“ Aber, nein, das stimmt so nicht.

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Liss

Liss LissMusic.net ist eine Formation aus dem schönen Aarhus, die mit Leichtigkeit aufwartet, ohne dabei trivial zu werden. Synth-Pop, den ich im ersten Augenblick eher generisch fand. Er hat aber doch etwas Besonderes, schon der Stimme des Sängers wegen.

Lieber Kulturklubben, ich hatte versprochen, dir positive Vibes zum Geburtstag zu senden, und wenngleich die Lieder überwiegend eben doch von Herzschmerz und Sehnsucht handeln, finde ich die Sounds so positiv und erfrischend, dass sich bei mir ein tief empfundenes Gefühl der Zufriedenheit einstellt, wenn ich sie höre. Vielleicht kannst du das verstehen. Andererseits. Du bist ja doch „nur“ ein Blog. Ich wünsche dir noch ein langes Fortbestehen. Vielleicht guckst du ja beim nächsten Mal zurück, wenn ich dich anschaue, und erkennst mich.

David