Pom Poko

Meine bruchstückhaften Kenntnisse der polnischen Sprache haben mir heute das Leben gerettet. Ich schlenderte verträumt durch Poznań, als mir ein Mann um die 60 etwas zurief, das wie „tschtschtsch blisko muru tschtschtsch“ klang. Wie durch ein Wunder verstand ich ihn: Er riet mir, möglichst dicht an der Hauswand entlangzugehen, denn vom Dach fallende Ziegel drohten mich zu erschlagen. Die polnische Sprache war meine Rettung. Danke! Dzięki!

Ansonsten verlief das Wochenende konzertreich.

Nordisch – und bereits am Donnerstag – hatte es begonnen. Mit drei Bands aus Island, Finnland und Norwegen. Letztere gefiel mir besonders gut. Gerade hatte ich mich eingewippt und mir die Frage, ob es etwas Schöneres als eine Jugend in Norwegen geben kann, mit einem klaren „Nein“ beantwortet, als ein Mann auf mich zutrat und mir ins Ohr brüllte: „Verarschst du mich?“ Hier hatte ganz offensichtlich jemand schlechte Laune. Ich schaute ihn mir an und stellte fest: Der sieht ja aus wie ich! Beziehungsweise ich wie er. Das war es also, was er als Provokation empfand: dass ich vorgab, er zu sein. So viel Selbstbezogenheit rührte mich. Gerne hätte ich ihn geknuddelt, vermutete aber, dass ihm danach nicht zumute war. Und offensichtlich lag ich richtig, denn den Rest des Abends bedachte er mich mit finsteren Blicken. Am Ende war ich froh, ihn nicht geknuddelt zu haben. Und noch froher, dass David bei mir war, denn David sieht mir ganz und gar nicht ähnlich. Er ist groß und stark.

Jetzt endlich zu den Stars des Abends: Ragnhild, Martin, Jonas und Ola. Zusammen: Pom Poko.

Auch am Freitag – mittlerweile in Polen – standen drei Bands auf der Bühne. Gekommen war ich primär wegen Natalia Przybysz. Sie sollte an diesem Abend als letzte auftreten. Tat sie auch. Nur leider war das Mikro bereits dermaßen heiß gelaufen, dass es nach fünf Liedern den Geist aufgab. Vorzeitiges Konzertende. Bei Odet und Mikromusic war der Sound noch einwandfrei gewesen.

Schließlich der Samstag. Was im November gut war, kann im März nicht schlecht sein, dachte ich, und gab mir ein zweites Mal Fisz Emade. Ich habe es keine Minute bereut.

Nach dem Konzert nahm sich eine Gruppe Polen meiner an, die – wie sich später herausstellte – ähnlich sehnsuchtsvoll wie ich auf die goldenen Tage des HipHops zurückblickten. Vordergründig, weil die Musik um die Jahrtausendwende herum einfach besser war, aber im Grunde vor allem deshalb, weil man sich damals noch durchs volle Haupthaar streichen konnte. Nun, nach dem Fisz-Konzert, saßen wir kahlköpfig in einer pornösen Dachgeschoßwohnung und hörten uns durch eine respektable Plattensammlung: amerikanischer, polnischer und deutscher Rap. Wir waren beseelt. Nur als man mir einen polnischen Rapper mit den Worten vorstellte „Das musst du hören; der Typ sieht aus wie du!“, zuckte ich kurz zusammen.

One Of A Kind Anna von Hausswolff