Shortparis
Als sich vorgestern beim Viertelfinale der Basketball-EM die Kommentatoren gegenseitig mit Superlativen übertreffen („Das beste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft seit mindestens fünf Jahren!“ – „Seit zehn!“ – „Das beste, das ich je gesehen habe!“), setzt mein griechischer und an diesem Abend gut frustrierter Freund den Schlusspunkt: bestes Basketballspiel Deutschlands seit Bismarck!
In bierseeliger Stimmung gestern war ich überzeugt, ähnlich weit zurückgehen zu müssen, um das soeben erlebte Konzert einzuordnen: bestes Konzert seit David Hasselhoff 1989!
Heute beim Frühstück sehe ich die Sache etwas nüchterner, lasse die David-Hasselhoff-Referenz aber gerne stehen. Denn es war wirklich gut. Sprich: amazing!
Wer hat eigentlich gespielt? Shortparis, eine Band aus Sankt Petersburg. Braucht Ihr Hilfe, die Band, ihre Liedtexte und die Bildsprache ihrer Musikvideos zu verstehen, empfehle ich den taz-Artikel von Jens Uthoff.
Der Genremix aus allem, was „kaum ohne ein vorangestelltes Post auskommt – Postindustrial, Post-Dark-Wave, Post-Pop“, wird von den fünf Musikern mit so viel Kraft auf die Bühne gehämmert, dass der Atem nicht reicht für auch nur eine Ansage, geschweige denn eine Zugabe. Macht überhaupt nichts. Wer Bock hat auf anderthalb Stunden Volldampf, Falsett und Theatralik, der sollte unbedingt am Montag (19.9.2022) in den Festsaal Kreuzberg gehen.
Ich habe den Auftritt gestern in Poznań erlebt. Konzerte in Polen sind immer gut … wenigstens das Publikum. Niemand quatscht, niemand raucht, alle sind rücksichtsvoll. Manchmal nimmt die Rücksichtnahme groteske Züge an. Zum Beispiel wenn sich mitten im Konzert die Frau neben mir die Schuhe auszieht, auf einen Stuhl steigt, kurz filmt, heruntersteigt, sich die Schuhe wieder anzieht. „Du hast dir die Schuhe ausgezogen?“, frage ich originell. „Klar. Andere Menschen wollen auf dem Stuhl noch sitzen.“ Recht hat sie.
PS: Im letzten Artikel hatte ich angekündigt, über Iwona Skwarek zu schreiben, oder? Nächstes Mal!